Mittwoch, 30. April 2014

Lisbeth


Es war ein schöner Tag im Mai 1965, als der Professor für englische und amerikanische Literatur Rudolf Haas im Hamburger Audimax ankündigte, dass er seine Vorlesung über die elisabethanische Literatur heute etwas früher beenden würde. Damit Sie alle Zeit haben, die Königin zu sehen. Ein Pflichtprogramm für Anglistikstudenten. Die Queen wird eine Stunde später im offenen Mercedes 600 durch die Schlüterstraße fahren, Elisabeth I und Elisabeth II sind heute nur zehn Minuten und 100 Meter voneinander entfernt. Der Besuch der Königin in Hamburg wird ein politischer Nachspiel haben, Bürgermeister Paul Nevermann tritt zurück. Weil Springers Schmutzblätter die ganze Woche nichts anderes zu tun hatten, als das Privatleben Nevermanns in den Schmutz zu zerren. In solchen Augenblicken zeigte sich, dass der angebliche hanseatische Gentleman mit seinem Rolls-Royce und seinen englischen Klamotten doch nur ein kleiner Prolet war. Nevermann hatte sich Springer zum Feind gemacht, weil er als Vorsitzender einer Kommission der Ministerpräsidenten gegen das Privatfernsehen gestimmt hatte. Das vergesse ich Ihnen nie! soll ein tobender Springer zu Nevermann gesagt haben.

Für Elke Heidenreichs Else Stratmann war die Königin nur die Lisbeth. Bei Königs kannte die Metzgersgattin Else Stratmann sich besten aus, hören Sie doch mal hier hinein, was sie über die Grimaldis zu sagen hat. Wir sind natürlich alle irgendwie Else Stratmann, weil wir auch alles über die Königin wissen. Aus der Boulevardpresse, was man in England so schön tabloid press nennt. Die Engländer haben zwar die ältesten und besten Zeitungen der Welt, aber sie haben auch die schlechtesten.

Und selbst die quality papers haben Qualitätsverluste hinnehmen müssen, seit sich Rupert Murdoch in der Fleet Street breitgemacht hat. Mit der Schmutzpresse kann man seit dem 18. Jahrhundert gut Geld verdienen, das hatte Axel Springer schon früh begriffen. Sein Kindermädchen herrscht heute über sein Imperium und sagt der Angela, was sie tun soll. Die Zeiten sind vorbei, da ein Bundespräsident Heuss dem Verleger Axel Springer sagte: Sie sind der Verderber der Presse. Die Schlagzeile aus The Sun da oben ist schon zehn Jahre alt, ist aber immer noch gut.

Elisabeth von England wurde heute vor 59 Jahren gekrönt, aber Königin ist sie schon seit sechzig Jahren, seit dem Tag, an dem ihr Vater starb. Sechzig Jahre Arbeit, dass muss ihr mal jemand nachmachen. Monarch zu sein bedeutet an occupation of considerable drudgery, was ihr Onkel Edward VIII scharfsinnig erkannte. Und den Job hinschmiss, um sich der Pflege seiner Savile Row Garderobe und den Launen von Mrs Simpson zu widmen. Es war nicht nur dieses It was love, love alone, caused King Edward to leave his throne, es war auch schlichtweg eine Flucht vor der Arbeit. Eine Sammlung aller Uniformknöpfe von englischen Regimentern anzulegen, ist sicherlich auch eine Arbeit, aber kaum zu vergleichen, mit dem, was seine Nichte leistet. It was love, love alone, caused King Edward to leave his throne ist natürlich ein Calypso. Harry Belafonte hat ihn auch einmal gesungen, klicken Sie doch hier. Und dann könnten Sie eigentlich auch noch den schönen Harry Belafonte Post lesen.

Seit Alan Bennett The Uncommon Reader (mit einem übersetzerischen Geistesblitz als Die Souveräne Leserin übersetzt) geschrieben hat, wissen wir, was aus Monarchen wird, die plötzlich zu lesen anfangen. Edward VIII hatte kaum etwas von der englischen Literatur gelesen. Der kriegt es hin, dem Schriftsteller Thomas Hardy beim Abendessen zu sagen: Now, you can settle this, Mr Hardy. I was having an argument with my Mama the other day. She said you had once written a book called 'Tess Of The d'Urbervilles', and I said I was sure it was by somebody else. Nein, das ist jetzt nicht von Else Stratmann, das ist wirklich wahr. Thomas Hardy hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt und nur Yes, Sir, that was the name of one of my novels gesagt. Ich glaube allerdings, dass die Königin schon mal ein Buch gelesen hatte, bevor sie auf der Suche nach ihren Corgis den Bibliotheksbus im Hof des Schlosses entdeckte. In diesem Photo rahmt das Kutschenfenster die Königin. Vergleichen Sie das doch mal mit dem Bild ➱Walter Sickerts von Georg V. Der gleiche Bildaufbau, aber diesmal sitzt eine Frau vorne im Bild. Seit sechzig Jahren. Haben das die Frauenrechtlerinnen jemals gewürdigt?

Die Königin versteht etwas von Pferden und sie versteht etwas von Kunst. Diesen wunderbaren Cartoon von Giles musste ich mal eben hier unterbringen. Wenn Sie jemals königliche Schlösser besuchen, lauschen Sie den Worten des Museumsführers und hören sich nicht die Fußballberichterstattung im Radio an. Und achten Sie darauf, was Ihre Kiddies im Hintergrund mit den Statuen machen. Die ganze Szene bringt mich zu einem ➱Video, das Sie unbedingt sehen müssen. Es ist aus der Verfilmung des Theaterstücks A Question of Attribution, die Königin wird hier von Prunella Scales gespielt (Helen Mirren ist ja für The Queen gut, aber hier wäre sie eine Fehlbesetzung). Ich habe schon im letzten Jahr auf dieses Kleinod hingewiesen, tue es aber gerne noch mal.

Und natürlich gratulieren wir Ihrer Majestät heute ganz herzlich. Und hoffen, dass es heute nirgendwo in Radio oder TV eine Sendung mit Rolf Seelmann-Eggebert, dem professionellen Königinnen-Versteher, gibt. Für die Liebhaber der Dichtung, die in diesem Blog ja immer gerne gesehen sind, habe ich noch etwas Wunderbares: sechzig Jahre in sechzig Gedichten. Und für die Giles-Fans gibt es hier noch eine Seite mit königlichen Giles-Cartoons. Wenn Sie wollen, können Sie jetzt hier mitsingen. Oder hier. Aber hier besser nicht. Lucian Freud ist jetzt irgendwo im Malerhimmel (oder in der Malerhölle), er muss sich aber die Frage gefallen lassen, musste das sein? We are not amused.

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