Er hat ja noch andere Filme gedreht als Five Easy Pieces. Aber die interessieren mich nicht so sehr, denn Five Easy Pieces ist sein bester Film. Weil da Karen Black mitspielt. Natürlich ist Jack Nicholson auch in dem Film, und vielleicht ist dies sogar sein bester Film (wir lassen mal seine Rolle als Zahnarztjunkie in The Little Shop of Horrors unerwähnt). Five Easy Pieces erschien 1970, und die siebziger Jahre sind für viele Filmkritiker die anni mirabiles des amerikanischen Films, weil da in schneller Folge die Filme wie The Last Picture Show, Two-Lane Blacktop, Patton, Duel, Badlands, American Graffiti, Mean Streets, The Sting, Taxi Driver, The Last Detail, Chinatown, The Long Goodbye und Nashville in die Kinos kamen [die Links führen alle zu Film-Posts in diesem Blog, New Hollywood ist an Jay nicht spurlos vorbei gegangen]. Five Easy Pieces hatte eine Oscar Nominierung als Bester Film, bekam aber den begehrten Preis leider nicht (den erhielt Patton, zu dem Coppola das Drehbuch geschrieben hatte). Karen Black war als Beste Nebendarstellerin nominiert, ging aber auch - ebenso wie Nicholson - leer aus. Sie erhielt aber immerhin einen Golden Globe.
So sieht Karen Black in dem Film nicht aus. Ich stelle das Bild nur hier hin, damit wir nicht glauben, dass sie immer so aussieht wie in diesem Film, wo sie die kleine Kellnerin Rayette Dipesto spielt, die so gerne eine Countrysängerin wie Tammy Wynette wäre. Wynettes Stand By Your Man ist schon am Anfang zu hören, wenn die Darstellernamen über die Leinwand laufen. Und dieses Stand By Your Man steht symbolisch für die kleine Rayette Dipesto, die gerade gemerkt hat, dass sie schwanger ist. Ein Mann sucht sich selbst war der deutsche Verleihtitel, er traf den Inhalt ganz gut. Der Zusatz des deutschen Verleihs Auf der Suche nach Nirgendwo war er am schnellsten, war allerdings ein wenig daneben.
Robert Eroica Dupea (gespielt von Jack Nicholson) ist auf der Flucht vor sich selbst. Das mit dem zweiten Vornamen ist kein Tippfehler, der Mann, der jetzt auf einem Ölfeld arbeitet, war einmal Konzertpianist. Kommt aus einer upper middle class Musikerfamilie, seine Schwester hat den schönenVornamen Partita. Für seine Rolle hatte er im Jahr zuvor Klavierunterricht bei Josef Pacholczyk genommen (hier ein Bild). Aber der Chopin, den er im Film spielt, kommt vom Band. Er war nicht so gut wie Dirk Bogarde, der den ganzen Liszt in Song Without End hatte spielen können (dann aber im Soundtrack von Jorge Bolet ersetzt wurde).
Rayette Dipesto, herzensgut, hübsch und ein bisschen dim witted, wüsste bestimmt nicht, was die Eroica ist. Aber sie liebt diesen Kerl: I'll go out with you, or I'll stay in with you, or I'll do anything that you like for me to do, if you tell me that you love me. Und bekommt nur zu hören: If you wouldn't open your mouth, everything would be just fine. Er will sie eigentlich schon verlassen, als er zu seiner Familie und seinem sterbenskranken Vater fahren will. I never told you it would work out to anything, did I? sagt er. Und aus dem Plattenspieler tönt Tammy Wynettes D-I-V-O-R-C-E. Da kann er es nicht übers Herz bringen, er nimmt sie mit. Nicht ohne zuvor Tammy Wynette zum Schweigen zu bringen (BOBBY'S HAND slashes at the arm of the recordplayer, pulling it across the grooves and stifling Tammy Wynette). Aber am Ende läßt der Held in seiner Midlifekrise, der nirgendwo hingehört, Rayette an einer Tankstelle sitzen, ohne ihr ein Wort zu sagen. Läßt ihr aber immerhin seine Brieftasche und das Auto.
Amerikanische Helden sind immer auf der Flucht. Pauline Kael sprach in ihrer Rezension von the familiar American man who feels he has to keep running because the only good is momentum. Das Buch von Barbara Deming über das amerikanische Kino der vierziger Jahre, das im Jahr zuvor erschienen war (aber schon zehn Jahre früher geschrieben wurde), hieß Running Away from Myself. Das könnte auch der Titel dieses Filmes sein. Dieses running away hat eine lange Tradition in Amerika. But I reckon I got to light out for the territory ahead of the rest, because Aunt Sally she's going to adopt me and sivilize me, and I can't stand it. I been there before, sind die letzten Sätze von Mark Twains Huckleberry Finn. Amerikanische Helden fliehen. Vor den Frauen und der Zivilisation. Das fängt in der amerikanischen Literatur von früh mit Washington Irvings Erzählung Rip van Winkle an und hört mit Huckleberry Finn nicht auf. Cowboys im Western reiten einsam in den Sonnenuntergang.
Bob Dupea wechselt an der Tankstelle die Autos, er läßt Rayette sitzen und steigt, so wie er ist, in einen Lastwagen, der nach Norden fährt. There isn't anybody gonna look after you and love you, as good as I do, hat sie gerade noch zu ihm gesagt, als er sie wieder einmal zurückwies. Und dann bekommen wir einen Filmschluss, der an Tristesse nicht zu überbieten ist. Ich zitiere mal eben aus dem Drehbuch:
The driver glances over at Bobby:
DRIVER Haven't you got a jacket or anything with you?
BOBBY No, I don't, I uh... it got burned up. Everything in the car got the shit burned out of it. All I got left is what I have on...
DRIVER I've got an extra jacket behind the seat, if you want to put it on.
BOBBY No, it's okay.
DRIVER Suit yourself. But I'll tell you, where we're headed is gonna get colder'n hell.
BOBBY It's all right. I'm fine.
The driver puts the truck into gear and releases the brake.
BOBBY (CONT'D) I'm all right.
And as the truck begins to move forward:
BOBBY (CONT'D) I'm fine.
EXT. SEMI - GAS STATION - DAY REMOTE ANGLE: The semi pulls out of the station onto the highway, giving view to Bobby's car. The attendant is cleaning the windshield and Rayette can be seen opening the passenger door. As she gets out and surveys the area for some sign of Bobby, the semi MOVES INTO VIEW, going north on the highway. Rayette looks over the hood of the car, addressing the attendant. He gestures toward the men's room and as she moves across the station and disappears OFF THE SCREEN... ... the semi recedes in the distance, leaving a black trail of smoke from its exhaust stack, dissipating in the air.
THE END
Wenn Sie bei den Filmen Brief Encounter oder The Third Man schon heulen mussten, dann sollten Sie sich dies hier gar nicht erst angucken. Lapidar und trist. Mitten in der Handlung ist der Abspann da. Wo dieser Film endet, fangen andere Filme an. Und doch hat der Schluss Schönheitsfehler. Warum redet Nicholson von einem Autowrack (Everything in the car got the shit burned out of it)? Die im Internet allgegenwärtige Rezensentin Stefanie Casey kann das erklären: The original, scripted ending involved a car crash, proving fatal for Bobby, but not Rayette. This ending forces a predictable and poetic resolution, which was replaced by the camera's distant observation of the gas station. Instead, Bobby's departure implies the repetition of his Sisyphean cycle thereby inflicting a haunting ambiguity, emotional hollowness and pervasive meaninglessness to the film's conclusion. A bleak and nightmarish American vision!
Leider ist das YouTube Beispiel von schlechter Qualität. Die DVD (die sehr preiswert ist) bewahrt die erstklassigen Farben des Originals. Und zeigt natürlich auch die erstklassige Kameraarbeit von László Kovács, der im Jahr zuvor auch Easy Rider photographiert hatte (was wäre aus dem New Hollywood geworden, hätte es diese Ungarn wie László Kovács und Vilmos Zsigmond nicht gehabt?). Dass es mehrere endings gab, hat Jack Nicholson in einem Interview auf die Frage Do you like the ending to Five Easy Pieces? bestätigt: Yes. It had lots of endings. Bob [Rafelson] likes to work with lots of endings. He doesn't like to know the ending while he's shooting it. He likes to feel like something's going to happen. He usually ends up shooting the ending that he had, but he's constantly weird at night. Das Ende verfehlte seine Wirkung nicht, wie der Filmkritiker Roger Ebert schrieb: It is difficult to explain today how much Bobby Dupea meant to the film’s first audiences. I was at the New York Film Festival for the premiere of Five Easy Pieces, and I remember the explosive laughter, the deep silences, the stunned attention as the final shot seemed to continue forever, and then the ovation. We had a revelation. This was the direction American movies should take: Into idiosyncratic characters, into dialogue with an ear for the vulgar and the literate, into a plot free to surprise us about the characters, into an existential ending not required to be happy. Five Easy Pieces was a fusion of the personal cinema of John Cassavetes and the new indie movement that was tentatively emerging.
Bob Rafelson hatte einen Teil des Drehbuches selbst geschrieben, bevor er Carole Eastman (die das Drehbuch zu Monte Hellmans The Shooting geschrieben hatte) kontaktierte: I had done some writing of my own in the 60s, some scripts, and a lot of it was based on friends I had had at college and afterwards. Some of these people were dead already – so I was writing about self-destruction. But I didn’t like the scripts and I showed one of them to Carole and asked her to do what she could with it. Well, the result was Five Easy Pieces, and the only scene of mine she kept was the one in the diner. Die Szene in dem Diner sollten Sie sich unbedingthier ansehen.
Aber Rafelson hat sich nicht an Eastmans Drehbuch (das den Filmtod von Nicholson vorsah) gehalten. He doesn't like to know the ending while he's shooting it. Und dieses Improvisieren, ähnlich wie Monte Hellman bei Two-Lane Blacktop gearbeitet hat, gibt dem Film sein Leben. Nicht nur in der Szene im Diner. Schließlich ist dies das New Hollywood, schließlich haben die Regisseure einen Status eines auteurs. Für einen kurzen Augenblick der Filmgeschichte zeigen junge Regisseure den Hollywood Studios, wie richtiges Kino aussehen kann. Die kurze Phase des New Hollywood ist heute schon Geschichte. Leider. Die Filme aus dieser Zeit gibt es noch immer. Glücklicherweise.
Bob Rafelson wird heute [21.2.2013] achtzig Jahre alt. Happy Birthday!
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