Dienstag, 29. April 2014

Benzinpreise


Eine der wirklichen Konstanten in der Welt ist das Ansteigen der Benzinpreise vor Ostern. Wie die Konzerne das jedes Jahr immer wieder passgenau hinbekommen, das verdient schon unsere Bewunderung. Und jedes Jahr gibt es wieder das gleiche Wehklagen. Und den Ruf nach dem Kartellamt, obgleich jeder weiß, dass in dieser Behörde nur zahnlose Papiertiger sitzen. Jahr für Jahr können sie keinen Nachweis für verbotene Preisabsprachen und eine ganz zufällige parallele Preisgestaltung erbringen. Wenn das Franz Schütte in Bremen (der 1890 die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft zusammen mit Rockefeller gegründet hatte) noch mitgekriegt hätte! Die Bosse von Esso, Shell, Aral und wie die Firmen alle heißen, sitzen jetzt an Ostern zuhause vorm CD Player. Sie hören nicht Bachs Matthäuspassion, nein, sie singen ganz laut mit:

Ich brauche Zeit, kein Heroin
kein Alkohol, kein Nikotin
brauch keine Hilfe, kein Koffein
doch Dynamit und Terpentin
Ich brauche Öl für Gasolin
explosiv wie Kerosin
mit viel Oktan und frei von Blei
einen Kraftstoff wie Benzin

Wenn Sie morgen bei Ihrer Tankstelle alle Strophen von Rammsteins Benzin vorsingen können und noch dazu den headbanger machen, kriegen Sie das Benzin vielleicht billiger.

Am ersten Tag des Monats ist hier angedeutet worden, dass hier im National Poetry Month aus Sympathie mit den amerikanischen Dichtern nur Gedichte zu lesen sein werden. Reicht Rammsteins Benzin schon als Gedicht aus? Dichter tun sich ja mit Automobilen etwas schwer. Zwar hatte Marinetti in seinem futuristischen Manifest vor hundert Jahren gefordert, dass der Dichter die neue Zeit besingen solle und konstatiert, dass ein Rennwagen mit vielen Auspuffrohren schöner sei als die Nike von Samothrake, aber irgendwie hat sich das nicht so durchgesetzt. Bertolt Brecht wird immer zitiert, der es mit einem billigen Reklamegedicht über die Singenden Steyrwägen geschafft hat, von der Firma Steyr ein Auto geschenkt zu bekommen. Zu schreiben wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen. Unser Motor ist ein denkendes Erz, das hätten die bei Steyr in der Werbeabteilung ja auch noch hingekriegt. Und auch die ersten sechs Zeilen, die heute als Brechtsche Firmenkritik interpretiert werden, hat die Firma damals wohl mit Stolz hingenommen:

Wir stammen 
aus einer Waffenfabrik 
unser kleiner Bruder ist
der Manlicherstutzen.
Unsere Mutter aber
eine steyrische Erzgrube.

Man soll die Werbeabteilungen nicht unterschätzen, und deshalb gibt es hier am Tag vor Ostern ein Gedicht aus der Werbeabteilung der Daimler Motoren Gesellschaft aus dem Jahre 1897:

Ein Daimler ist ein GUTES THIER
zieht wie ein Ochs, du siehst's allhier;
Er frißt nichts, wenn im Stall er steht 
Und SAUFT NUR, WENN DIE ARBEIT GEHT,
Er DRISCHT und SÄGT und PUMPT dir auch
Wenn's Moos dir fehlt, was oft der Brauch:
Er kriegt nicht MAUL- und KLAUENSEUCH
Und macht dir keinen dummen Streich  ,
Er nimmt im Zorn dich nicht auf's Horn,
verzehrt dir nicht dein gutes Korn.
Drum kaufe dir ein solches Thier,
dann bist versorgt du für und für. 

Kann man dem Sog dieser poetischen Sprache widerstehen? Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz? My friends all drive Porsches, I must make amends.

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