Montag, 11. Mai 2015

Endeavour


In Death Is Now My Neighbour, einer der letzten Folgen der englischen Krimiserie Morse, lernt Chief Inspector Morse diese hübsche Frau (Judy Loe) kennen. Und verliebt sich sofort. Er sieht sie zum ersten Mal, als sie gerade eine Musikstudentin am Klavier begleitet. Die Studentin (Nina Tilbury) singt Cherubinos Non so piu cosa son, cosa faccio aus der Oper Le Nozze di Figaro. Enthusiastisch, aber ein klein wenig schräg neben der Tonspur. So sieht es die Rolle wohl vor (Sie können hier ab Minute 13:20 hineinhören). Wenn Sie eine richtige Opernsängerin mit dieser Arie hören wollen, dann klicken Sie hier Liliana Nikiteanu an (oder dies ab Minute 18:30, aber das ist auch etwas schräg).

Es ist viel Musik in den Folgen von Inspector Morse, The Death of the Self zum Beispiel entführt uns nach Vicenza. Und dann nach Verona, wo die Opernsängerin Nicole Burgess (gespielt von Frances Barber) Signore, ascolta aus Puccinis Turandot singt. Sie können das ➱hier ab Minute 1:37 sehen und hören. Frances Barber sieht dabei richtig überzeugend aus, aber die Schauspielerin hat den Part nicht wirklich gesungen, es war die Stimme von Janis Kelly.

Das Signore, ascolta gibt es natürlich (ebenso wie das Nessun Dorma) massenhaft im Internet, Sie könnten Ekaterina Shcherbachenko hier hören. Wenn Sie lieber die Callas hören wollen, dann klicken Sie hier. Die Aufnahme ist über fünfzig Jahre älter, hat aber große Momente. Und wiederum auch nicht. Wir können auch hören, welche Schwierigkeiten sie mit Puccini hat. Aber Walter Legge von der EMI hatte sie da hinein gequatscht, er wollte aus seinem Star alles herausholen. Finanziell gesehen. Er wusste, dass ihre Stimme bald nicht mehr das sein würde, was sie einmal war.

Morse singt im Kirchenchor, er ist aber nicht The Singing Detective. Das ist eine Serie von Dennis Potter, die sehr sophisticated ist (das Remake von 2003 möchte ich lieber nicht erwähnen). Sozusagen Krimi für Fortgeschrittene. Lichtjahre entfernt von Til Schweigers Tatort Kommissar. Morse wird in der Serie jede Gelegenheit nutzen, um in die Oper zu kommen. Am Ende von Promised Land schafft er es noch in die neue Oper von Sydney. Und wenn sein Chef in The Way Through the Woods zu ihm sagt: You should've been here last summer. You only got the tail-end of it. Off sunning yourself in Beirut, kann Morse das nur trocken mit Bayreuth kommentieren.

In der ersten Folge der Serie (The Dead of Jericho) spielt Morse den Tristan Akkord auf dem Klavier der toten Klavierlehrerin, er liebt nun einmal Wagner. Er ist nicht der erste musikalische Detektiv in der Geschichte der Krimiliteratur. Sherlock Holmes (hier Benedict Cumberbatch in der Rolle) spielte Geige, Lord Peter Wimsey Klavier. Holmes besaß sogar eine Stradivari. Das erzählt uns auf jeden Fall Dr Watson: We had a pleasant little meal together, during which Holmes would talk about nothing but violins, narrating with great exultation how he had purchased his own Stradivarius, which was worth at least five hundred guineas, at a Jew broker’s in Tottenham Court Road for fifty-five shillings.

Wir wollen mal hoffen, dass die Stradivari wirklich echt war. Frank Peter Zimmermann musste seine Stradivari (die den Namen Lady Inchiquin hatte) ja leider gerade zurückgeben. Aber es sind nicht nur die englischen gentleman detectives, die der Musik zugetan sind, wenn sie nicht sogar Komponisten sind wie Robert Bruce Montgomery. Der unter dem Pseudonym Edmund Crispin diese wunderbar schrägen Professor Fen Romane schrieb. Auch die amerikanischen hard-boiled Kollegen der gentleman detectives sind nicht frei von musikalen Neigungen. In Chandlers Erzählung I'll Be Waiting (die hier einen Post hat) spielt Mozart eine große Rolle. Und in The Little Sister findet sich diese Unterhaltung zwischen einem Sergeant und Philip Marlowe:

"I play the piano a good deal," he said. "I have a seven-foot Steinway. Mozart and Bach mostly. I'm a bit old-fashioned. Most people find it dull stuff. I don't."
"Perfect casting," I said, and put a card somewhere.
"You'd be surprised how difficult some of that Mozart is," he said. "It sounds so simple when you hear it played well."
"Who can play it well?" I asked.
"Schnabel."
"Rubinstein?"
He shook his head. "Too heavy. Too emotional. Mozart is just music. No comment needed from the performer." 

Und wenn Sie noch mehr Musik wollen, dann lesen Sie James Mallahan Cains Serenade. Da merkt man auf jeder Seite, dass der Sohn einer Opernsängerin eigentlich selbst Sänger werden wollte. Und vielleicht sollte man anmerken, dass Chandlers Frau Cissy in erster Ehe mit einem Konzertpianisten verheiratet war (und selbst eine Pianistin war). Da liegt der Mozart nicht weit.

In The Death of the Self (hier ganz zu sehen) können Sie den Chief Inspector Morse auch als Begleiter der Sängerin Nicole Burgess im offenen Citroen zu einer Villa fahren sehen (ab Minute 39), die Palladios Rotonda sehr ähnlich ist. Hunderte von Stellen im Internet behaupten, dass es die Rotonda ist, aber sie ist es nicht. Wenn Sie den langen Post Palladio gelesen haben, dann wissen Sie natürlich, dass es die Villa Pisani von Vincenzo Scamozzi ist.

In The Death of the Self treffen wir auch jemanden wieder, den wir heute in einer ganz anderen Rolle kennen. Das hier ist Michael Kitchen, der Star der Serie Foyle's War. In der Folge ist er allerdings nicht wie Foyle eine Personifikation des Guten und aller englischen Werte, da ist er ein international operierender Betrüger.

Wenn man Morse fragt: What's your first name? antwortet er mit Inspector. Aber Adele Cecil lässt sich damit natürlich nicht abspeisen: Well, you could start by telling me your name. (Morse:) Everyone just calls me Morse. I do have a first name, of course, but I'd have to know you better. (Adele:) You won't know me better if you don't tell me. (Morse:) Right. My A whole life's effort has revolved around Eve. Nine letters. And that is the truth, the whole truth. Das ist nun etwas für Menschen, die Kreuzworträtsel, Anagramme und solche Dinge lieben. People who do crosswords have blanks in their lives and they haven't a clue how to fill them. Don't you think? wird Adele sagen.

Morse liebt Kreuzworträtsel. Als ihn sein Chef fragt: What's the matter? Brain not what it was? antwortet er My brain is fine, thank you. I did today's Times crossword in 11 minutes. Das hört der Superintendent Strange nicht so gerne: If you spent more time on your case, you would have something to tell me. Am Ende von Death Is Now My Neighbour sind Adele Cecil, Morse und Lewis in einem Pub. Das englische Pub ist das natürliche Habitat von Morse. Und in dieser Szene in der Kneipe (Bild) erfahren wir auch zum ersten Mal den Vornamen von Morse: Adele Cecil: This anagram, "around eve" — I've tried and I've tried, but all I can come up with is "Endeavour". And no-one's called Endeavour, surely? Morse: I told you — my mother was a Quaker, and Quakers sometimes call their children names like 'Hope', and 'Patience'. My father was obsessed with Captain Cook, and his ship was called Endeavour. Why aren't you both laughing? Lewis: You poor sod! Adele Cecil: I'm not calling you "Endeavour". Lewis: Call him "Sir". He likes that. Adele Cecil: Oh, no, no,— I'll stick to "Morse", like everyone else. Morse: [Raises his glass of beer.] Cheers.

Inzwischen gibt es als spin off der Serie Morse eine TV Serie, die Endeavour heißt, ein prequel, das die Erlebnisse des jungen Endeavour zeigt. So etwas musste ja kommen. Wenn sich der junge Police Constable Endeavour Morse hier an einen Jaguar lehnt, dann soll das noch nicht heißen, dass er schon damals einen besaß. Damals fuhr die Polizei noch schwarze Jaguars. In den Romanen von Colin Dexter, die der Serie zugrunde liegen, fuhr Morse einen alten Lancia. Aber den konnte man bei den Dreharbeiten angeblich nicht finden, den Jaguar kaufte man für 1.500 Pfund bei einem Schrotthändler.

Das Auto wurde berühmt wie die Serie, zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Senders ITV kam er sogar auf eine Briefmarke der englischen Post. In einer englischen Umfrage nach dem berühmtesten Auto der Filmgeschichte, schlug der weinrote Jaguar vor Jahren sogar das Auto aus Chitty Chitty Bang Bang und James Bonds Aston Martin.

Dieses Photo hat ein englischer Morse Fan 1999 in Kalifornien geschossen. Wir wissen natürlich, dass das Original das Kennzeichen 248 RPA besitzt, aber ein Autokennzeichen Morse ist natürlich auch nicht schlecht. Die Geschichte von Morses Automobil ist immer wieder erzählt worden, wenn man ihr einen Titel geben sollte, dann wäre Fitzgeralds The cruise of the rolling junk wohl angebracht. Für den Hauptdarsteller John Thaw war das Auto a beggar to drive, bei den Dreharbeiten war immer ein Mechaniker anwesend. Freunde der Firma Jaguar könnten jetzt noch den Post Des Königs Jaguar lesen.

Ich hatte in Inspector Lewis (dem spin off von Morse) versprochen, demnächst über Morse zu schreiben. Dies ist doch schon mal ein Anfang. Die dreiunddreißig Folgen von Morse (plus fünf Specials) mit John Thaw und Kevin Whately kosten etwas mehr als fünfzig Euro. Eine deutsche Tonspur gibt es leider nicht, aber es gibt englische Untertitel. Das ist auch eine schöne Gelegenheit, um Ihr Englisch zu schulen. Die Serie nach den Romanen von Colin Dexter war überall auf der Welt zu sehen. Nur in Deutschland nicht. Wahrscheinlich weil wir mit der deutschen Tatort Tristesse und Henning Mankell auskommen.


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