Dienstag, 29. April 2014

Edward Hopper


Als F. Scott Fitzgerald 1923 nach Long Island zieht, um The Great Gatsby zu schreiben, lernt er seltsame Leute kennen. Die er alle in seinen Roman hineinschreibt. Einer seiner Nachbarn lässt sich hunderte von Hemden in London machen. Schwupps, schreibt Fitzgerald die Hemden ans Ende von Kapitel fünf. They're such beautiful shirts schluchzt Daisy, aber wir wissen, dass es um etwas anderes geht als Oberhemden. Im ➱Film von 1974 kommen die Hemden von Turnbull&Asser, man kann den Markennamen ganz deutlich lesen. Der Film war durch eingeworbenes product placement finanziert, bevor man ein Drehbuch, einen Regisseur und die Darsteller hatte. Ein seltsames Phänomen. Der Film brachte uns auch Gatsby-weiße Anzüge. Zum Missvergnügen von Tom Wolfe, der seine Idee mit dem weißen Anzug bei Mark Twain geklaut hat. 1923 markiert den Anfang Fitzgeralds an seinem Meisterwerk, aber es markiert auch den Beginn seiner Alkoholikerkarriere.

Am Ende des ersten Kapitels von The Great Gatsby kehrt der Erzähler Nick Carraway von einem Besuch bei seiner reichen Cousine Daisy zu seinem kleinen Häuschen (das er ironisch als seinen estate bezeichnet) neben dem Palast von Gatsby zurück. Zum ersten Mal sieht er in der Dunkelheit der Mondnacht mit dem silver pepper of the stars seinen geheimnisvollen Nachbarn, der auf ein kleines grünes Licht auf der anderen Seite der Bucht starrt. Ein Symbol für die unerreichbare Liebe. Fitzgerald hat viel Arbeit auch diese Romanstelle verwendet, sie ist ein Pendant zu dem romantisch-pathetischen Schluss des Romans. Es ist Frühling, aber Already it was deep summer on roadhouse roofs and in front of wayside garages, where new red petrolpumps sat out in pools of light. Die Welt des Automobils hat schon ihren Weg in die amerikanische Natur gefunden. Und die Technik dringt noch auf eine andere Weise in den Roman ein. Fitzgerald schreibt filmisch, sieht die Welt mit den Augen eines Regisseurs, eines Kameramanns.

Edward Hopper hat 1940 ein Bild gemalt, dem er den Titel Gas gegeben hat. Es zeigt eine Tankstelle an einer einsamen Straße, und das Bild erscheint wie eine Illustration zu der Romanstelle where new red petrolpumps sat out in pool of light. Fitzgerald hat das Bild nie gesehen, das ihn an seinen Roman hätte erinnern können. Als es ausgestellt wird, ist er schon tot. 1940 verkaufte Scribners mal gerade noch sieben Exemplare von The Great Gatsby. Aber Hopper hatte Fitzgeralds Romanstelle wohl nicht im Kopf. Er war, wie immer, auf der Suche nach dem geheimnisvollen Licht in der Stunde der Dämmerung, der Vermischung von künstlichem und natürlichem Licht. Wir finden das immer wieder bei ihm, in House at Dark (1935), Cape Cod Evening (1939) ebenso wie in Seven A.M (1948), von den berühmten Nighthawks ganz zu schweigen. Manche Maler haben sich darauf spezialisiert, wie Atkinson Grimshaw in Liverpool. Manche Kameraleute können das auch. Wie hat hat Chris Menges das mit der roten Telephonzelle im Dämmerlicht in Local Hero hingekriegt? Hopper hat das ganze Jahr 1940 an diesem Bild gearbeitet. Seine Frau schreibt an eine Freundin Ed is about to start a canvas - an effect on night on a gasoline station...Pictures come so hard this year. They used to flow along so much more easily.

Hopper befindet sich einmal wieder in einer schweren Depression. Es gibt eine gezeichnete Skizze von drei Pumpen einer Mobilgas Tankstelle und eine Zeichnung, die schon das ganze Konzept des Bildes beinhaltet, auch wenn hier der rote Pegasus und der Schriftzug Mobilgas noch fehlen. Hopper guckt sich den ganzen Sommer lang Tankstellen an, freundet sich auch mit Jimmy de Lory, dem Tankstellenbesitzer in Truro an. Die Stimmung, die Fitzgerald sozusagen im Vorbeifahren, evoziert, wird für den Maler zu einer großen Herausforderung. Aber irgendwann kann seine Frau Jo schreiben Ed's canvas is coming on nicely. The pumps are shining red - and the lights above so bright and the trees dark beyond and a road going off in the distance. Da ist das Bild schon beinahe fertig. Vier Tage früher klang das bei ihr noch nicht so optimistisch: Ed is struggling. It's a hard time to put one's mind on painting - and he's seen it all so often around here. He's doing a filling station - at twilight, with the lights over the pumps lit. And when we go to look at them - around here, they aren't lit at all. They're not wasting Elec til it's pitch dark, later than Ed wants. He's painting in the studio entirely now. Lots more comfortable - but much harder to do. I'd hate it. When you are in front of the thing, its presence helps you.

Josephine Nivison Hopper weiß, wovon sie redet, sie ist selbst Malerin gewesen. Jetzt ordnet sie sich dem Genie ihres Mannes unter. If there can be room for only one of us, it must undoubtedly be he. Eigentlich ist es traurig. Aber so haben wir seine geheimnisvollen Bilder, nicht ihre (von denen sie selbst nicht viel hielt). Die Straße auf dem Bild Gas verschwindet hinter der Tankstelle, immer dunkler werdend, im Wald. Wohin führt sie? Zu Nick Carraways estate in der Mondnacht, die ihn alone in the unquiet darkness zurücklässt?

Lassen wir Hoppers Bildern ihre Geheimnisse, man braucht nicht alles zu erklären. Zur gleichen Zeit wandert der Dichter Robert Walser mit seinem Gönner Carl Selig durch die Schweiz. Am Wochenende, da hat er Ausgang aus der Anstalt. Einmal weigert er sich ein klosterähnliches barockartiges Gebäude zu betreten: Das ist alles viel hübscher von außen. Man muss nicht hinter alle Geheimnisse kommen wollen: Das habe ich mein ganzes Leben so gehalten: Ist es nicht schön, dass in unserem Dasein so manches fremd und seltsam bleibt, wie hinter Efeumauern? Das gibt ihm einen unsäglichen Reiz, der immer mehr verloren geht. Brutal wird alles begehrt und in Besitz genommen.

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