Die königliche Yacht Dannebrog liegt im Limfjord, im Hafen von Nyköbing. Sie könnte einen neuen Anstrich vertragen, man sieht es ihr an (wenn man auf einem kleinen Unterweserkaff kommt, das nur aus Werften besteht und wenn man bei einem Schiff als erstes auf die Nietenköpfe guckt), dass sie ein Vierteljahrhundert alt ist. Aber nichts ist hier in Dänemark wirklich neu, außer den Exponaten in Den Permanente in Kopenhagen. Im Zweiten Weltkrieg ist die Yacht ein Lazarettschiff gewesen. Die Verwundeten wurden nicht im Vorderteil des Schiffes untergebracht, wo die Mannschaftsquartiere sind, sondern in dem Teil des Schiffes, der für das Königshaus reserviert ist. Das ist Dänemark.
Es ist ein wunderbarer Juliabend. Die Wachen an Bord pfeifen Seite, es wird salutiert. Der König geht von Bord. Er ist schlecht gelaunt und flucht leise vor sich hin, das kann man auch verstehen, wenn man kein Dänisch versteht. Er ist beim Direktor der Austernfischerei zum Abendessen eingeladen und er will pünktlich sein. Punktlighet är kungars artighet, unter diesem Slogan hatte die Schweizer Uhrenfirma Omega vor wenigen Jahren mit einem Bild seines schwedischen Königskollegen geworben, der gerade auf seine Omega schaut. Das Königshaus hatte die leichte Impertinenz der Anzeige durchgehen lassen, um zu zeigen, wie volkstümlich man ist. So was hat Frederik nicht nötig. Er ist volkstümlich. Er ist während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg als Zeichen des Widerstands jeden Abend in Marineuniform durch Kopenhagen geritten, im Winter mit Zeitungspapier unter der Uniform, er hat sich den Judenstern an die Uniform gesteckt, glaubt jeder Däne. Allerdings sind diese Geschichten ein bisschen apokryph und außerdem verwechseln sie ihn inzwischen mit seinem Vater.
Er ist aber ein vorzüglicher Pianist und hat das Orchester des königlichen Theaters oft ✺dirigiert (heute habe ich sogar CDs von ihm). Niemand im Königreich ist so populär wie der König, vielleicht mit der Ausnahme von Niels Bohr. Nobelpreisträger, Mitglied des Widerstands. Der rothaarige Organist Ebbe A. aus Odense (der im Urlaub immer die Romanen mit die Mörders liest) hat mir erzählt, wie sein alter grüner Saab einmal in Kopenhagen von einem amerikanischen Straßenkreuzer angefahren wurde, der eine Einbahnstraße in falscher Richtung befuhr. Als er wutentbrannt auf den Fahrer zustürzte, sah er, dass er Niels Bohr vor sich hatte, dem das schrecklich peinlich war. Aber Herr Bohr, das macht doch gar nichts, es ist doch gar nichts passiert. Er hat die Beule im Kotflügel nie reparieren lassen, als Erinnerung an diesen Augenblick.
Frederik lässt am Fuße der Gangway mit lauter Stimme zum Schiff gewandt jeden wissen, was er von unpünktlichen Prinzessinnen hält, die nicht rechtzeitig in ihre Abendkleider kommen. Der König trägt seine Admiralsuniform, mit weißen Handschuhen. Er geht zu seinem Auto, er braucht keinen Chauffeur. Um den riesigen Jaguar Mark VII herum (dass dies ein Jaguar ist, erkenne ich sofort: Jugendliche in dieser Zeit kennen nicht nur alle Photoapparate, sondern auch alle Automarken) steht eine kleine Gruppe von Dänen. Und ich. Es gibt kein Sicherheitspersonal. Man munkelt, dass der König sich einen Rolls-Royce bestellt hat. Was für große Erleichterung unter dänischen Millionären sorgen wird. Denn solange der König keinen Rolls-Royce fährt, gehört es sich in Dänemark nicht, solch ein Auto zu besitzen.
Aber diesen Wagen liebt der König. Der Jaguar, der aussieht wie ein Rolls, ist dunkelblau, hat auf dem Nummernschild eine kleine Krone und die Nummer 1. Jemand fragt den König nach den PS-Zahlen. Frederik lebt auf, zieht seine weißen Handschuhe aus und öffnet persönlich die Motorhaube, damit alle den Motor sehen können. Dann schüttelt er allen die Hand, steigt in den Wagen und fährt los. Die Prinzessinnen werden wenig später in einen dunkelblauen Buick steigen. Ein richtiger König hat mir die Hand geschüttelt. In der Tiefgarage meines Herzens, wo die Autos stehen, von denen man träumt, wird immer ein dunkelblauer großer Jaguar Mark VII stehen.
Die dänische Krone hat dann als Staatskarosse einen Rolls Royce Silver Wraith (mit sieben Sitzen) angeschafft, und Frederik hat sich ein Bentley Cabrio gekauft. Da waren die dänischen Millionäre aber froh. Es war mir schon klar, dass die Erwähnung dieser Geschichte in dem Post Traumwagen bei einigen Lesern den Wunsch weckte, sie sofort hören zu wollen. Ich brauchte es nicht aufzuschreiben, es stand schon in meinen Bremensien. Es musste jetzt ein Gedicht dafür gefunden werden. Ich besitze leider nur ein Buch mit dänischen Gedichten. Und aus dem habe ich schon im April 2011 in dem Post Dänische Kunst das Gedicht von Klaus Rifbjerg zitiert. Und ich brauchte etwas, was mit Booten oder Yachten zu tun hat. Und einem maritimen Unglück. Ich habe da noch etwas Kurioses auf der Geschichte der Dannebrog zum Schluss. So nahm ich denn von Jens Peter Jacobsen das Gedicht Fahr hin, mein Boot aus der Sammlung Hervert Sperring:
Fahr hin, mein Boot
Fahr hin, mein Boot, fahr hin, mein Boot,
In unbekannte Weiten,
Der Leidenschaften Strom dich führt,
Laß steuerlos dich gleiten.
Fahr hin, mein Boot, fahr hin, mein Boot,
Längst sank der Hoffnung Fahne,
Du findest keinen Hafen mehr
Geöffnet solchem Kahne.
Fahr hin, mein Boot, fahr hin, mein Boot,
Dir leuchten keine Sterne,
Bald wirbelst du im Wasserfall,
Er braust schon in der Ferne.
Diese schlimmen kleinen Dinger auf dem Cartoon hier sind der Phantasie von Ronald Searle entsprungen. Wie kennen sie als die Schülerinnen von St Trinian's, deren Lebensinhalt Anarchie und Destruktion ist. Wenn Sie sich jetzt fragen, was die mit Frederik und der königlichen Yacht Dannebrog zu tun haben, habe ich natürlich darauf eine Antwort. Der Kapitän einer Fregatte der Royal Navy hatte einmal Ronald Searle gebeten, ihm eine St. Trinian's Charter zu zeichnen, in der die Fregatte verpflichtet wurde to uphold and carry to the four corners of the earth the true spirit and glorious tradition of St Trinian to which they have shown themselves true. Searle tat das auch und wurde zum Ehrenmitglied der Offiziersmesse ernannt. Die Fregatte war dem Geist von St. Trinian's treu. Sie rammte im Hafen von Kopenhagen 1956 die königliche Yacht Dannebrog und radierte ihr den Bugspriet weg. Ich nehme an, dass der König das mit Humor genommen hat.
Wenn die Engländer schon sein Schiff demolieren, dann kann der König auch schon mal einen englischen Bentley zerlegen. Das ist ihm 1970 in Kopenhagen gelungen, wie man dem Buch Kongelige køreglæde – med benzin og blåt blod i årerne von Martin Lund entnehmen kann. Kann ja passieren. Vielleicht hätte er doch der Marke Jaguar treu bleiben sollen wie seine Gattin Ingrid das tat.