Mittwoch, 31. August 2016

Georges Braques Rolls Royce


Georges Braque, 74, Kunstmaler und Massenproduzent moderner Bilder, kaufte sich als zweiter französischer Maler nach seinem Kollegen Bernard Buffet, 28, (SPIEGEL 28/1956) ein Rolls-Royce-Auto, schrieb der Spiegel 1956. Das mit dem Massenproduzenten mag der Künstler wohl nicht so gerne gehört haben. Als Braque (der am 31. August 1963 starb) sich den Rolls kaufte, hatte der Maler einen Chauffeur. In den zwanziger Jahren fuhr er noch selbst. Zum Beispiel diesen Alfa Romeo. Den er auch noch bemalt hatte, sozusagen ein echter Braque.

Das dürfen Maler mit ihren Autos ja tun. Wird viel zu wenig gemacht. Der Satz von Henry Ford, any color so long as it is black, gilt für das Europa des Art Déco nicht. Denn bevor John Lennon in einem psychedelischen Rolls spazierenfuhr, gab es schon so etwas. Dieses Auto hier wurde nach einem Design von Sonia Delaunay neu gespritzt (es war nicht das einzige Fahrzeug, das sie bemalte). Auch die beiden Damen, die das Auto dekorieren, tragen Kleidung, die von Delaunay entworfen wurde. Hergestellt wurden die Pelzmäntel von Jacques Heim, mit dem Delaunay lange zusammenarbeitete. Jacques Heim hatte übrigens 1946 auch einen Bikini erfunden, den er Atom nannte, aber da setzte sich doch das Modell von Louis Réard mit dem Namen Bikini durch (das hier schon einen Post hat).

Frauen scheinen in den zwanziger Jahren keine Angst vor dem Automobil zu haben. Tamara de Lempicka malt sich 1929 voller Stolz am Lenkrad ihres grünen Bugattis. Es ist die Zeit der flapper, jener jungen Frauen, die jetzt Sport treiben (wie in Jordan Baker in Fitzgerald Great Gatsby), Hosen tragen, öffentlich Zigaretten rauchen und Automobile besitzen. In der Geschichte der Emanzipation spielt das Automobil eine wichtige Rolle. Und ein Auto wie der Jordan Playboy war nicht für eine männliche Kundschaft konzipiert (lesen Sie hier mehr über eine der berühmtesten Anzeigen der Werbegeschichte).

Die roaring twenties sind nicht nur die Zeit der flapper, sie sind auch die große Zeit des Art Déco - das Photo von Sonia Delaunays Auto und ihren Pelzmänteln wurde von einem Pavillon der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes (kurz: Art Déco) gemacht. Die zwanziger Jahre sind auch die große Zeit des Plakats. Hier hat André Edouard Marty eine junge Dame der Pariser Gesellschaft in ihrem Citroen abgebildet. Wir können hier sehen, dass das Automobil ein Accessoire der Haute Couture geworden ist.

Marty hatte an der Ecole des Beaux Arts studiert und arbeitete für die führenden Modejournale wie die Gazette du Bon Ton, das Journal des Dames et les Modes oder Vogue. Er war sogar so berühmt, dass ihn London Transport für Plakate verpflichtete. Das hätte ich in dem Post Keep calm and carry on vielleicht noch erwähnen sollen. Um das wieder gutzumachen, habe ich hier ein schönes Plakat, das er für London Underground entworfen hat.

Der Elendsmaler Bernard Buffet hatte nicht nur einen Rolls, er malte ihn auch gerne. Obgleich es viele Künstler gibt, die einen Rolls besitzen, malt kaum jemand das Objekt der künstlerischen Begierde. Marcel Duchamp tat das nicht, und auch Joseph Beuys hat seinen Bentley nicht gemalt. Der Massenproduzent Georg Baselitz weiß weshalb: Wenn einer zu viele Ringe an den Fingern trägt oder einen Rolls-Royce fährt, wird der geschmäht. Das ist ein Phänomen, das in einer Neidgesellschaft wuchert. Ganz übel, und Deutschland hat dazu alle Fundamente gelegt.

Das ist natürlich schlimm, Maler wie Baselitz haben es in Deutschland ganz schwer. Ein Rolls Royce ist etwas für ➱Könige. Und für Kleinbürger wie Baselitz, der sich - ebenso wie Bernard Buffet - ein Schloss kaufte. Etwas weniger beklagt sich da Markus Lüpertz. Massenproduzent moderner Bilder, Millionär und Rolls Royce Liebhaber Markus Lüpertz hatte soviel Humor, das Cover für den Krimi von Joseph Wambaugh Der Rolls-Royce-Tote zu zeichnen.

Georges Braque war in seiner Jugend ein wilder Fahrer gewesen. Sein Freund Picasso war um ihn besorgt und hatte ihm immer zu einem Chauffeur geraten. Den bunt bemalten Alfa hatte Braque nicht lange behalten, er verkaufte ihn für tausend Francs an den Dichter Blaise Cendras (lesen Sie mehr in dem Post Blaise Cendrars). Kaufte sich aber sofort einen neuen Alfa. Als Braque sich einen großen Hispano Suiza kaufte, leistete er sich dann auch einen Chauffeur. Mit Livree.

Ein Hispano Suiza war damals viel exklusiver als ein Rolls (lesen Sie ➱hier mehr dazu), wahrscheinlich ist das auch ein Grund dafür, dass Picasso sich 1953 auch einen kaufte. Und sich natürlich einen Chauffeur zulegte. Er mochte das Auto, weil es so groß war, dass er seine ganze Malausrüstung darin verstauen konnte. Braque andererseits hatte ein kunstvolles System ersonnen, um Leinwände und Malmaterial auf dem Dach seines Rolls zu befestigen. Ein Jahr bevor sich Picasso seinen Hispano Suiza kaufte, hatte er diese Plastik eines Pavians geschaffen, dessen Kopf aus einem Auto besteht, aber Picassos Plastik und sein Auto haben bestimmt nichts miteinander zu tun. Man weiß nicht, was in Picassos Kopf vorgeht.

Ein Rolls Royce bietet sich für einen Künstler schon deshalb an, weil er selbst ein Kunstwerk ist, da hätte man den Plan von Alina Szapocznikow, einen riesigen Rolls-Royce aus portugiesischem rosa Marmor herzustellen, gar nicht gebraucht. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky hat in einem witzigen Aufsatz mit dem Titel The ideological antecedents of the Rolls-Royce radiator auf die gerade, klare Gliederung der Villen des Palladian Style hingewiesen (und der Rolls-Royce Kühler verdankt Palladio ja auch vieles), die in völligem Gegensatz zu der gewollten Unordnung der Natur des englischen Landschaftsgartens steht. Deshalb stellen Sie Ihren Rolls am besten in den Park. Aber niemals unter Lindenbäume. Sagt ein Handbuch für Rolls Royce Chauffeure.

Man kann einen Rolls in jeder beliebigem Form bekommen. Das hier gilt allgemein als der hässlichste Rolls, der je gebaut wurde. Nubar Gulbenkian (der bestimmt ein halbes Dutzend Rolls Royce besaß) hatte ihn sich 1947 von der Karosseriefabrik Hooper bauen lassen. Not everyone will care for the very advanced appearance - but there is no doubt it is striking, schrieb die Zeitschrift Autocar. Man kaufte bei der Firma Rolls Royce eigentlich nur Fahrwerk und Motor, alles andere machten Firmen wie Hooper, Mulliner oder Park Ward.

Die Erfahrung musste auch der junge Michael Caine machen, als er ein spezielles Modell haben wollte. Ein älterer Herr sagt ihm bei der Autoshow: I think I can assure you myself, sir, that the Mulliner Park Ward chassis will never be available on the model you require because Mr Mulliner is dead and I am Mr Park Ward, so you are getting your information straight from the horse's mouth, as the saying goes. Lesen Sie mehr dazu in dem Post Luxuskutschen. Heute fährt Michael Caine, der noch keinen Führerschein hatte, als er sich seinen ersten Rolls kaufte, einen grauen Lexus: I used to drive a Rolls and all that but they were just too ostentatious for this world now. I had to get rid of them. Die goldene Rolex ist auch vom Arm verschwunden. So etwas hat doch Stil.

Natürlich ist es immer feiner, einen Bentley zu haben als einen Rolls Royce. Das hatte Braque auch eingesehen, sein Rolls machte einem grauen Bentley Platz. Der Spiegel wusste damals zu vermelden: Georges Braque, 79, französischer Kubist, läßt seinem 80 000-Mark-Auto, einem britischen Bentley, bei den täglichen Spazierfahrten in Paris zwei Motorroller-Fahrer vorauseilen, damit er rechtzeitig vor Verkehrsstockungen gewarnt wird, die dem Maler zuwider sind. Wenn man Massenproduzent moderner Bilder ist, kann man sich auch so etwas leisten.

Es gibt genügend Gemälde, auf denen Automobile sind. Und es gibt auch inzwischen eine große Zahl von Büchern wie Das Automobil in der Kunst 1886 - 1986 von Reimar Zeller (Prestel Verlag), Automobil: Das magische Objekt in der Kunst (derselbe Autor, diesmal beim Insel Verlag), Art and the automobile von D.B. Tubbs oder Gerald D. Silks Automobile and Culture (und ich hätte hier für Liebhaber amerikanischer Automobile noch einen Link zu einer sehr interessanten Nummer des Michigan Quarterly Review). 

Dieser schöne Cézanne mit einem alten Citroen ist in all den oben erwähnten Büchern nicht zu finden. Man kann das Bild lediglich in der Folge Who Killed Harry Field? der englischen Krimiserie Morse sehen. Sie können sie ➱hier in mehreren Teil sehen, ich finde, dass es der beste Morse ist. Der Maler, der dieses Bild gefälscht hat, sagt in dem Film zu Morse: Two golden rules of forgery, Mr. Morse, spontaneity and never do Raphael. Braques werden häufig gefälscht (ein Raffael seltener), auch unser Wolfgang Beltracchi hat falsche Braques gemalt. Wenn Sie einen Georges Braque haben wollen, dann wenden Sie sich doch mal an diese Adresse.

Das ist kein Fälsscher, ih bewahre, das ist ein Künstler: When I paint in the style of one of the greats… Monet, Picasso, Van Gogh… I am not simply creating a copy or pale imitation of the original. Just as an actor immerses himself into a character, I climb into the minds and lives of each artist. I adopt their techniques and search for the inspiration behind each great artist’s view of the world. Then, and only then, do I start to paint a ‘Legitimate Fake’. Raffael hat der Mann nicht im Programm, Braque schon. Wenn Sie ihn bitten, malt der Produzent von legitimate fakes Ihnen bestimmt auch einen kleinen Rolls Royce zwischen die Häuser.



Montag, 1. Februar 2016

Thomas Cole


Der amerikanische Maler Thomas Cole wurde am 1. Februar 1801 geboren. Er hat Bilder der wilden Schönheit von God's Own Country gemalt, einem Land, das sich in der Zeit der Romantik über die ➱Natur definierte. In der Trauerrede für seinen Freund Cole sprach der amerikanische Dichter William Cullen Bryant 1848 von delight at the opportunity of contemplating pictures which carried the eye over scenes of wild grandeur peculiar to our country, over our ariel mountain-tops with their mighty growth of forest never touched by the axe, along the banks of streams never deformed by culture.

Dieses never deformed by culture ist wichtig. Schon ein Jahr zuvor hatte die Zeitschrift The Literary World in einer Besprechung der Gemälde von Jasper F. Cropsey geschrieben: The axe of civilization is busy with our old forests, and artisan ingenuity is fast sweeping away the relics of our national infancy ... What were once the wild and picturesque haunts of the Red Man, and where the wild deer roamed in freedom, are becoming the abodes of commerce and the seats of manufactures. . . . Yankee enterprise has little sympathy with the picturesque, and it behooves our artists to rescue from its grasp the little that is left, before it is too late. Auf dem Bild des Kaaterskill Wasserfalls von Cole ist in der Bildmitte ganz klein ein Indianer (legen Sie zwei Diagonalen durch das Bild, dann finden Sie ihn), die werden auch immer weniger auf den Bildern der amerikanischen Maler.

Heute definieren sich die USA nicht mehr über die Natur. Sie sind eher die Umweltschweine der Welt. Das Kyoto Abkommen haben sie immer noch nicht unterschrieben. Vor zwei Jahren druckte die Süddeutsche einen Artikel, der Dreckige Provokation hieß. Es ging darin nicht um die VW Diesel Fahrzeuge, sondern um die in den USA beliebten Coal Rollers. Da schrauben die Obama Hasser die Partikelfilter aus ihrem Diesel und blasen voller Lust den ganzen Dreck in die Luft. Gilt als politisches Statement. Coale statt Cole, das ist doch mal was.

Wenn er [Obama] für Umwelt ist, dann sind wir dagegen. Einen dicken Auspuff auf meinen Truck zu bauen – das ist mein Weg, ihm den Mittelfinger zu zeigen. Du willst frische Luft und eine tolle CO2-Bilanz? Dann verpiss dich, sagt ein Auspuffverkäufer aus Wisconsin. Das sind klare Aussagen. Werden diese Typen etwa von Loretta Lynch verfolgt? Da hätte VW doch mal den Spieß umdrehen können und die Werbebotschaft ausgeben können: Wir bauen die besseren Coal Rollers. Das ist doch etwas anderes als diese Botschaften für Weicheier, die Mercedes ausgab und von emissionsfreier Mobilität und Blue Efficiency redete (lesen Sie weiter in ➱Blue Skies).

Die Vernichtung der amerikanischen Landschaft war schon zu Coles Zeiten eine Gefahr. Cole hat das in seinen Schriften und Gedichten (wie The Lament of the Forest oder The Complaint of the Forest) immer wieder angesprochen. Ebenso James Fenimore Cooper, dessen Roman The Pioneers geradezu ein Umweltroman ist. Vor Thomas Cole gab es so gut wie keine amerikanische Landschaftsmalerei, er gilt als der Stammvater der Hudson River School. Das erste öffentliche Kunstmuseum Amerikas ist das Wadsworth Atheneum (finanziert von der Familie von Samuel Colt bekommen hat), es war das einzige amerikanische Museum, das von Beginn an die Hudson River School gesammelt hat.

Im Gegensatz zu all den Gründungen von Museen in der Zeit des Gilded Age, mit deren Finanzierung sich banausenhafte Millionäre ihren Ruhm für die Ewigkeit erkaufen, sammelt man in Wadsworth amerikanische Malerei. Einen Teil dieser Bestände konnte man im Jahre 2007 unter dem Titel Neue Welt: Die Erfindung der amerikanischen Malerei in der Bucerius Stiftung in Hamburg sehen. Den Katalog kann man noch antiquarisch finden.

Thomas Cole ist in diesem Blog kein Unbekannter, er hat schon zwei ausführliche Posts, die Abschied und Bäume heißen. Jetzt bekommt er an seinem Geburtstag noch einen kleinen Post, der Thomas Cole heißt. Der musste mal eben sein, weil der von mir vor Tagen versprochene lange Post über die dänischen Kirchen und die Löwen immer länger wird. Kommt aber noch diese Woche. Auf den Bildern von Cole gibt es keine Löwen, aber es gibt einen netten Blog, der The Lion of Chaeronea heißt, wo man auch Bilder von Cole sehen kann. Das Internet stellt seltsame Zusammenhänge her.

Cole war nicht nur Maler (und Hobbyarchitekt), er schrieb auch Gedichte. Es hat lange gedauert, bis die in gesammelter Form in ein Buch gelangten, erst 1972 erschien (von Marshall B. Tymn herausgegeben) das Buch Thomas Cole's poetry: the collected poems of America's foremost painter of the Hudson River School reflecting his feelings for nature and the Romantic spirit of the nineteenth century. Inzwischen ist das Werk auch im Volltext im Internet zugänglich (klicken Sie hier). Eins von den Gedichten des Naturliebhabers Cole, das The Wild heißt, möchte ich zum Abschluss zitieren:

Friends of my heart, lovers of Nature's works,
Let me transport you to those wild blue mountains
That rear their summits near the Hudson's wave.
Though not the loftiest that begirt the land,
They yet sublimely rise, and on their heights
Your souls may have a sweet foretaste of heaven,
And traverse wide the boundless: From this rock,
The nearest to the sky, let us look out
Upon the earth, as the first swell of day
Is bearing back the duskiness of night.
But lo! a sea of mist o'er all beneath;
An ocean shoreless, motionless, and mute.
No rolling swell is there, no sounding surf;
Silent and solemn all; the stormy main
To stillness frozen, while the crested waves
Leaped in the whirlwind, and the loosen'd foam
Flew o'er the angry deep.

See! now ascends
The Lord of Day, waking with pearly fire
The dormant depths. See how his glowing breath
The rising surges kindles : lo! they heave
Like golden sands upon Sahara's gales.
Those airy forms disporting from the mass,
Like winged ships sail o'er the wondrous plain.
Beautiful vision! Now the veil is rent,
And the coy earth her virgin bosom bares,
Slowly unfolding to the enraptured gaze
Her thousand charms.


Ich hätte hier noch eine interessante interaktive Thomas Cole Seite. Und wenn Sie alles über die amerikanische Landschaftsmalerei der Romantik und die kulturelle Definition der Nation über die Natur lesen wollen, das Standardwerk Nature und Culture von Barbara Novak ist hier im Volltext. Und da ich vorhin erwähnte, dass Thomas Cole auch Hobbyarchitekt war, muss ich noch mein Lieblingsbild The Architect's Dream (das schon mehrfach in diesem Blog auftaucht) hierher stellen.

Sonntag, 17. Januar 2016

NSU


Wenn man heute die Buchstaben NSU liest, dann stehen sie in dem meisten Fällen nicht für die Automobile aus Neckarsulm, sondern für etwas, das Nationalsozialistischer Untergrund heißt. Dieser Name ist ziemlich neu, vielleicht sollte man auch besser nicht diese grotesk großartige Bezeichnung verwenden, sondern von den Mördern Mundlos, Böhnhardt und ihrem Flittchen reden. Die Fabrik in Neckarsulm, die vor den Automobilen zuerst Strickmaschinen, dann Fahr- und Motorräder herstellte, gibt es dagegen schon seit 1873. Und schon 1892 haben sie das NSU (als Abkürzung für die Flußnamen Neckar und Sulm) als Markenzeichen verwendet.

Heute gibt es die Firma NSU nicht mehr, die Nachfolgefirma heißt Audi (das Börsensymbol für die Aktie der Audi AG ist aber weiterhin NSU), ihre Produktion von Motorrädern und Automobilen ist längst Geschichte. Wie zum Beispiel der berühmte Ro80 (der hier schon einen Post hat) oder der NSU 1000TT, der in der TTS Version viele Rennen gewann (sogar einmal die Rallye Monte Carlo). Oder natürlich der NSU Prinz. Ein Modell, das das Badewannen Design des Chevrolet Corvair hatte. Ich kenne es nur zu gut. Ich hatte mehrere.

Ich weiß, dass es einen Klub für Fans der NSU Prinz Modelle gibt. Sie können hier ihre Website anklicken (einen Blog gibt es auch). Ich bin da aber kein Mitglied, ich habe schon in dem Post Ehemalige gesagt, dass ich nicht der Typ für Vereine und so etwas bin. Ich gehe auch selten zu Klassentreffen. Schreibe gerade aber an einem Post, der Klassentreffen heißt, aber ich weiß nicht, ob der je fertig wird. Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry hat nichts mit dem NSU Prinz zu tun, er ist nur hier, um diesem Post einen literarischen Anstrich zu geben. Den er später noch bekommen wird.

Auf diesem Photo der Dänischen Straße in Kiel kann man sehen, dass man die Dänische Straße noch befahren kann, dass es noch eine Straßenbahn gibt und dass da rechts ein heller NSU steht. Ich habe das Gefühl, dass das meiner ist. Das ist aber schon die NSU Prinz 1000 Version. Er hieß Principessa, Gudrun hatte ihn so getauft, das Auto steht auch schon in dem Post Cutty Sark. Ein Post, der sehr komisch ist. Und in dem jedes Wort wahr ist.

Ein NSU 1000 war vor fünfzig Jahren schon eine schöne Sache, Welten oberhalb des Prinz 4. Oder des Prinz 3, den man das Brötchen nannte. Der Dirk hatte einen, das weiß ich. Den hatte er mir nämlich mal angedreht, damit ich den von Dänemark nach Hause fuhr. Er selbst fuhr mit dieser scharfen Frau aus Hamburg zurück, die er am Strand kennengelernt hatte. Die hatte ein rotes Alfa Romeo Cabriolet. Ich glaube, der Dirk wollte nicht, dass sie seinen Prinz 3 sah. Die Rückfahrt mit Dirks Auto gestaltete sich etwas problematisch, die Kühlung war kaputt, man musste den Wagen die ganze Zeit mit voll aufgedrehtem Heizungsgebläse fahren. Draußen waren dreißig Grad.

Mit einem Prinz 3 konnte man keine Frauen aufreißen. Mit einem NSU TT schon. Der Rüdiger fuhr einen knallroten. Die Elke, mit der er mal was hatte, war etwas durchgeknallt. Hatte jede Woche eine andere Haarfarbe. Swinging London schwappte auch zu uns herüber, obgleich im Englischen Seminar das einzige, das swingte, die Schwingtür zum Romanischen Seminar war. Elke ist mal auf einer Party völlig high nach einer dramatischen Szene aus dem Fenster gesprungen. Sie ist weich gelandet. Die Party war im Erdgeschoss, und vor dem Fenster war weicher grüner Rasen. Ob aus der Geschichte mit Dirk und der scharfen Frau mit dem roten Alfa etwas geworden ist, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass der Dirk ein ganz hohes Tier bei Daimler Benz geworden ist und da bestimmt nie erzählt hat, dass er mal einen NSU Prinz 3 hatte.

Ganz oben auf der Skala der NSU Prinzen stand der NSU Wankel Spider. Hatte die gleiche Karosserie wie der Sport Prinz und war das erste Auto in Deutschland, das einen Wankelmotor hatte. An den Ro 80 dachte man bei NSU damals noch nicht. So klein er war (3,58 lang), so cool war sein Design. Angeblich schaffte er über 150 km/h. Wenn er nicht bei dem Bremer NSU Händler Will van Gels auf dem Hof stand. Bei uns in der Straße stand einer, in genau dieser Farbe. Hatte ein Klinikchef seiner Gattin geschenkt. Er nannte seine Gattin Kiki, das passte zu dem Auto. Das rote Cabrio wurde im Ort als Nitribitt Auto en miniature verspottet (in anderen Gegenden Deutschlands hieß es Facharbeiter Porsche), das gemeine Volk ist gnadenlos in seinem ästhetischen Urteil. Das mit en miniature stimmte schon, der Mercedes 190 SL von Rosemarie Nitribitt war immerhin siebzig Zentimeter länger.

As I sd to my
friend, because I am
always talking,--John, I

sd, which was not his
name, the darkness sur-
rounds us, what

can we do against
it, or else, shall we &
why not, buy a goddamn big car,

drive, he sd, for
christ's sake, look
out where yr going.

Das Gedicht von Robert Creeley musste mal eben sein, um daran zu erinnern, dass hier auch noch Literatur ins Spiel kommt. Was man den bei Besitzern von NSU Fahrzeugen nicht vermuten würde. Ich habe all diese kleinen Geschichten nur erzählt, um zu verdeutlichen, dass die Besitzer von NSU Automobilen ganz normale Menschen waren, die ihre billigen Autos liebten und pflegten. Sie lagen unter ihnen, während ein Freund von oben Wasser hineingoss, damit sie sehen konnten, wo die Löcher im Bodenblech waren. Sie legten vorne kleine Sandsäcke hinein, um die Bodenhaftung zu verbessern. Sie begrüßten andere NSU Fahrer auf der Autobahn mit der Lichthupe. Sie wuschen ihre Autos mit Hingabe. Aber sie hatten nichts mit irgendwelchen Untergrundorganisationen zu tun.

Doch das hat sich heute geändert. NSU hat jetzt einen schlechten Namen. Erst kam dieses Nationalsozialistischer Untergrund, dann kam Frank Witzel. Der hat im letzten Jahr den Deutschen Buchpreis für ein genialisches Sprachkunstwerk ..., das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia bekommen. Das genialische Sprachkunstwerk, das beinahe so lang wie Tellkamps Der Turm ist, hat den etwas verwirrenden Titel Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969. Es ist ein Werk, das den NSU Prinz 4 literaturfähig gemacht hat:

Die Landstraße schlängelt sich wie auf einer Kinderzeichnung vom grauweißen Horizont zu dem Feld vor meinen Füßen. Und da kommt auch schon ein Auto angefahren. Es ist kein Ferrari 250 GT 12 Zylinder 4 Takt Hubraum 2953 cm3 mit 240 PS und 230 Stundenkilometern, noch nicht mal ein Porsche 501 6 Zylinder 4 Takt Hubraum 1995 cm3 mit 120 PS und 200 Kilometern, sondern nur ein NSU Prinz 2 Zylinder 4 Takt 578 cm3 mit 30 PS, der gerade mal 120 macht, mit Rückenwind, und hier geht es bergauf, raus aus dem verschneiten Dorf, und ich habe noch nicht mal den Mopedführerschein, und Claudia brüllt und Bernd schreit, ich soll mich weiter rechts halten, damit uns die Bullen in den Kurven aus den Augen verlieren, aber das ist gar nicht so leicht, denn unser NSU Prinz hat hinten schlecht aufgepumpte Reifen, sodass ich kaum die Balance halten kann. Trotzdem liegen wir ein ganzes Stück vorn. Hinter uns die Bullen mit ihrem vollbesetzten Mannschaftswagen VW T2 fangen an zu ballern. Die Kugeln schlagen in die Schneewehen und springen vom Straßenasphalt gegen den zitronengelben Lack der Kotflügel. Claudia kramt im Handschuhfach nach einer Waffe. Die ist nicht geladen, sage ich. Wie, nicht geladen? Kein Wasser drin. Wasser? Das ist meine Wasserpistole. Sag mal, spinnst du? schreit Bernd. Wo ist denn die Erbsenpistole? Vergessen, aber die Wasserpistole ist echt gut, die hat vorne nen Ring, da kannst du um die Ecke schießen. Ihr seid Spinner, vollkommene Spinner, ich denk, ihr habt euch das Luftgewehr von Achim geliehen. Der war nicht da, nur seine Oma, und die wollte es nicht rausrücken.

Prinz 4 und Rote Armee Fraktion, konnte der kein anderes Auto nehmen. Schon machen sich die Rezensenten des Buches über den NSU Prinz lustig, gehässige Bemerkungen über das Symbol der deutschen Spießigkeit fallen da schon mal. Ikonen des Bösen betitelte die Zeit ihre Rezension von Frank Witzels Roman. Und da spricht ein gewisser Jens Jessen davon, dass ein NSU Prinz 4 der Inbegriff dämonischer Niedlichkeit im deutschen Kleinwagenbau sei. Er wird es wissen, er kam gerade zur Schule, als der NSU auf die Straße kam.

Er wird auch nicht mitbekommen haben, dass das Land Baden-Würtemberg sogar eine Anzahl dieser Automobile als Einsatzfahrzeuge verwendet hat. Vielleicht hätte Frank Witzel mal den gelben NSU seiner Kleinkriminellen von diesem Auto jagen lassen sollen. Meine Pricipessa war keine Ikone des Bösen und diente niemals als Fluchtwagen. Mit der Staatsmacht kam sie allerdings auch einmal in Berührung. Ich wollte nach Plön zu Georg, der als Lehrer am Schloss abends die Reithalle nutzen durfte, wir spielten da Badminton.

Kurz vor Preetz geriet ich in der Dunkelheit in eine Polizeifalle. Allgemeine Verkehrskontrolle, bellte ein schwer bewaffneter Polizist. Macht euch nicht lächerlich, sagte ich. Wie meinen Sie das? sagte er. Sie haben Ihre Hand an der Wumme, und da vorne liegt einer hinter einem Maschinengewehr, das nennt man kaum eine 'allgemeine Verkehrskontrolle'. Er war voller stiller Wut. Aber als er in meinen Papieren meinen Doktortitel vor dem Namen und meinen Dienstausweis des Landes Schleswig-Holstein sah, schlug seine Aggressivität in Servilität um. Mehr als diese beiden Verhaltensmuster hatte er, wie viele Polizisten damals, nicht drauf. Es war die Zeit von Baader-Meinhof. Ulrike Meinhof sollte damals in Schleswig-Holstein sein, das Gerücht hatte ich auch gehört.

Sie waren ja überall. Und hatten schnelle Autos. Keinen NSU Prinz. In meiner Heimatstadt Bremen - wo Schillers Räuber dank Wilfried Minks auf der Bühne so aussahen - war man vorbereitet. Ein jüngerer Bremer Polizeioffizier schrieb über einen Kollegen, der über die mögliche Ankunft der Baader Meinhof Bande informiert wurde, folgendes ausführte: „Meine Herren,“ hiernach das unvermeidlich im Offizierston geschnarrte „Äh,“ „Das I. Polizeirevier errichtet in Höhe des Mahndorfer Bahnhofs eine Kontrollstelle, die Baader-Meinhoff Bande kommt in Bremen zu Besuch. Die Bahnhof-Meiner-Bande soll nach Erkenntnissen des BKA am Dienstag kommen. Ich bitte um strengste Eigensicherung, äh, da die Baader-Mahndorf-Bande, äh, ich meine natürlich die Bahnhof-Mahndorf-Bande vermutlich schwer bewaffnet ist!

Der Ekke ist damals mal richtig sistiert worden. Wenn da aus Frankreich ein junger Mann mit rotblondem Vollbart in einem versifften Döschewo an der Grenze ankommt, dann ist der schon mal verdächtig. Wenn er mit einem NSU Prinz gekommen wäre, wäre er nicht verdächtig gewesen, aber ein Citroen ist verdächtig. Das weiß man. Also erstmal festhalten und Personalien überprüfen. Nach einer Stunde kam dann ein Fax, das den Grenzern mitteilte, dass ihnen ein echter Düsseldorfer Staatsanwalt ins Netz gegangen war. In der Hysterie der deutschen Hexenjagd war vieles möglich. for christ's sake, look out where yr going.

Die Baader Meinhof Bande fuhr gern BMW. Es machte damals schon ein Witz die Runde, dass BMW für Baader Meinhof Wagen und nicht für Bayrische Motorenwerke stünde. Und es gab BMW Besitzer, die einen Sticker auf ihr Auto klebten, auf dem stand, dass sie keine Terroristen seien. Andreas Baader (der keinen Führerschein besaß) fuhr gerne Luxusautos. Wie einen Iso Rivolta (auffälliger geht es nun wirklich nicht) oder diesen Porsche 911 S Targa. Der natürlich gestohlen war. Auf diesem Photo steht der Besitzer Rainer Schlegelmilch im Keller des BKA vor seinem Porsche. Das orangefarbene Fahrzeug hinter ihm ist ein NSU TT. Ja, auch so etwas hat die Baader Meinhof Bande mal gefahren. Natürlich war der Wagen einem ehrlichen NSU Besitzer geklaut worden.

Meine Principessa hatte ein trauriges Ende. Als ich mir den Peugeot kaufte, ließ mein Vater den NSU einmal gründlich überholen, mit neuen Reifen und allem Pipapo und schenkte ihn dann der Verlobten meines Bruders. Die ließ allerdings kurz vor der Hochzeit meinen Bruder sitzen und brannte mit dem Trauzeugen und dem NSU durch. Und diesen fetten hässlichen Kerl sah ich dann noch jahrelang am Lenkrad meiner Principessa. Es war zum Heulen.

Die Autos aus Neckarsulm werden schon in folgenden Posts erwähnt: WankelmotorTraumwagenCutty SarkFahrstuhl zum SchafottHeinrich VogelerFranco Costa